… gab es am 26. Januar 2020 in der Finkenkruger Kirche, wie Kantor Stephan Hebold bereits in seiner Begrüßung mitteilte, um möglichen Enttäuschungen vorzubeugen.

Allerdings, so tröstete er, seien ja Beethovens Lehrer Joseph Haydn und seine Schüler im Geiste Brahms und Schostakowitsch im Programm vertreten. Dargeboten wurde das Konzert vom Havelquartett, das unter diesem Namen zum ersten Male in der Finkenkruger Kirche auftrat. Dem zahlreichen Publikum dürfte das Ensemble bisher als Barriette-Quartett bekannt gewesen sein, einem ambitionierten Laien-Streichquartett, mit Britta Haase (1. Violine), Arnhild Micus (2. Violine), Rainer Fournes (Viola) und Friedrich Boegner (Violoncello). Das Benefiz des Abends (756 Euro) soll der Digitalisierung bzw. der digitalen Erweiterung der Finkenkruger Orgel zugutekommen.

Das Havelquartett eröffnet das Konzert mit dem eher selten gespielten Streichquartett f-Moll op. 20, Nr. 5, von Joseph Haydn (1732-1809), dem „Erfinder des Streichquartetts“, aus dem Zyklus der „Sonnenquartette“ von 1772 – und fasst es tonschön und lyrisch auf, wenn auch noch mit etwas gebremstem Temperament. Höhepunkt des viersätzigen Werkes – sowohl von der Komposition als auch von der Interpretation – wird die Doppelfuge des letzten Satzes (Fuga a due soggetti), die gleichsam das Ideal des Streichquartetts verwirklicht, das Goethe zufolge darin besteht, „dass man vier vernünftige Leute sich unterhalten hört“. Und diese demonstrieren hier nicht nur die absolute Gleichberechtigung der Stimmen, sondern eben auch die Ebenbürtigkeit der vier Musiker!

Zur Krönung des Konzertes gerät dann das 11. Streichquartett op. 122 (ebenfalls in f-Moll) des sowjetrussischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch (1906-75), der zeitlebens unter Repressalien und Einmischung der stalinistischen Diktatur litt, wie Bratscher Fournes erläutert. Man möchte meinen, diese Erfahrungen hören zu können, in der atonal anmutenden Introduktion, die nach Halt und Sicherheit zu tasten scheint, in dem energischen Rezitativ oder in der erschütternden Elegie, dem längsten Satz des Werkes. In dem „Etüde“ genannten 4. Satz glänzt die 1. Violine mit technischer Brillanz. Und der Hörer fragt sich: Soll dieser Satz eine Parodie auf die sowjetische Technokratie darstellen? Schostakowitsch war ja für seinen Sarkasmus und beißenden Spott bekannt. Tatsächlich ist dieses Werk, das Schostakowitsch 1966, mit 60 Jahren schrieb, dem Andenken an den langjährigen 2. Geiger des Beethoven-Quartetts Wassili Schirinski gewidmet, das fast alle Streichquartette Schostakowitschs uraufführte. Stichwort Beethoven: Das Werk erinnert schon wegen der Siebensätzigkeit, aber auch in seiner Erlebnistiefe, an Beethovens großes op. 131, eine Reverenz an den großen Jubilar dieses Jahres.

Der Quartettabend klingt aus mit dem drittem Streichquartett B-Dur, op. 67 von Johannes Brahms (1833-97) aus dem Jahre 1875, seinem letzten, einem etwas melancholischen, spröden und verkopften Werk. Ein typischer Brahms, gekennzeichnet durch häufige Taktwechsel, Gegenakzente, metrische Verschiebungen und andere rhythmische Vertracktheiten, z. B. drei gegen vier, das den Ausführenden – um den Preis spielerischer Freiheit – allerhöchste Konzentration abverlangt. Aber im dritten Satz (Agitato) spielt sich das Havelquartett frei und Brahms‘ Lieblingsinstrument, die Bratsche, trumpft groß auf.

Das Havelquartett verabschiedet sich bei dem begeisterten Publikum mit einem unvollendeten Quartettsatz von Franz Schubert und weckt damit die Neugier auf das nächste Konzert …

Bernhard Schmidt